Neue Projekte unterstützen Kinder aus sucht- und psychisch belasteten Familien
Präventionsprojekt „selbstbestimmt“ der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen setzt auf Stärkung von Fachkräften und Entwicklung kommunaler Gesamtkonzepte
- Erschienen am - PresemitteilungKinder aus sucht- und psychisch belasteten Familien brauchen professionelle Unterstützung. Um Betroffene frühzeitig zu erkennen und in adäquate Hilfsangebote vermitteln zu können, ist die Zusammenarbeit von Akteuren aus Kita, Schule, Jugendamt, Gesundheitsversorgung und angrenzenden Handlungsfeldern unerlässlich. Fachkräfte müssen nicht nur für den Umgang mit dem Thema sensibilisiert und qualifiziert sein, sondern auch gemeinsam und im Austausch mit anderen Fachbereichen und Professionen an passgenauen Lösungen für die Kinder und Jugendlichen arbeiten. Das Präventionsprojekt „selbstbestimmt“ der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. setzt an dieser Stelle an und plant mit Förderung des GKV-Bündnisses für Gesundheit, der Auridis Stiftung und dem Gesundheitsministerium des Landes Brandenburg bedarfsgerechte Qualifizierungs- und Kommunikationsmaßnahmen sowie die Entwicklung Kommunaler Gesamtkonzepte in drei Modellregionen Brandenburgs.
Zwei neue Teilprojekte von „selbstbestimmt“ wurden heute in Potsdam erstmals vorgestellt:
- Kommunale Gesamtkonzepte: In drei Pilotkommunen sollen modellhaft kommunale Gesamtkonzepte entwickelt und umgesetzt werden. Ziel ist es, durch die koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Hilfesysteme tragfähige Strukturen zu schaffen, die langfristig wirken und auf weitere Kommunen übertragbar sind. Das Teilprojekt wird durch die von ALDI SÜD finanzierte Auridis Stiftung mit rund 750.000 Euro bis Ende 2028 gefördert.
- Qualifizierung und Kommunikation: Dieser Projektbereich wird, gefördert durch das GKV-Bündnis für Gesundheit und das Gesundheitsministerium, mit neuen Impulsen fortgeführt. Er stärkt Fachkräfte im Umgang mit betroffenen Kindern, fördert die Zusammenarbeit zentraler Akteure und trägt dazu bei, das Thema Kinder aus sucht- und psychisch belasteten Familien stärker in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken. Das Teilprojekt wird vom GKV-Bündnis für Gesundheit bis Mai 2029 mit insgesamt rund 1,7 Millionen Euro gefördert.
Das Gesundheitsministerium finanziert die Brandenburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. mit rund 400.000 Euro pro Jahr aus Landesmitteln, davon stehen rund 100.000 Euro für die Landeskoordinierung Suchtprävention zur Verfügung.
Gesundheitsministerin Britta Müller: „Die Gesundheit der Kinder hat für uns oberste Priorität. Alle Kinder haben das Recht, gesund aufzuwachsen. In Brandenburg leben nach Schätzungen rund 56.000 Kinder im Alter bis 14 Jahre in einer Familie mit mindestens einem sucht- oder psychisch erkrankten Elternteil. Das entspricht etwa dem bundesweiten Anteil, wonach jedes sechste Kind betroffen ist. Für diese jungen Menschen ist das Risiko erhöht, im Laufe ihres Lebens selbst eine Suchterkrankung oder psychische Probleme zu entwickeln. Sie gehören zu einer besonders verletzlichen und häufig übersehenen Gruppe, die unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung braucht. Wir wollen, dass diese Kinder nicht allein gelassen werden – weder mit ihren Sorgen noch mit den Herausforderungen im Alltag. Mit den neuen Schwerpunkten im Projekt ‚selbstbestimmt‘ schaffen wir Strukturen, die ihnen Halt, Orientierung und konkrete Hilfen geben. Dabei setzen wir auf das, was sich in Brandenburg bereits bewährt hat, und entwickeln es gemeinsam weiter.“
Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost und stellvertretend für das GKV-Bündnis für Gesundheit: „Es ist uns ein Herzensanliegen, dass jedes Kind die Chance hat, gesund aufzuwachsen. In Familien, in denen Sucht ein Thema ist, oder bei einem psychisch kranken Elternteil, starten sie in ihr Leben häufig mit großen Herausforderungen. Unser Gesundheitssystem beruht auf dem Solidaritätsgedanken, der besonders bei dieser schutzbedürftigen Gruppe greift. Wenn wir uns jedoch immer nur darauf konzentrieren, Krankheiten und Probleme zu therapieren, anstatt sie zu verhindern, gerät dieser Ansatz leider in Schieflage. Es ist an der Zeit, dass wir den Fokus verändern und nicht mehr nur versuchen, Krankheiten und Probleme zu therapieren, sondern auch lernen, sie zu verhindern! Deshalb setzt sich das GKV-Bündnis für Gesundheit für das Projekt ‚selbstbestimmt‘ ein, und das bereits seit mehreren Jahren! Denn wenn wir immer weniger finanzielle und personelle Ressourcen haben, müssen wir uns besser vernetzen, um diese Kinder frühzeitig aufzufangen.“
Marc von Krosigk, Geschäftsführer der Auridis Stiftung: „Der Schlüssel für eine wirksamere Unterstützung und Versorgung von Kindern aus psychisch und suchtbelasteten Familien liegt in starken, lokalen Netzwerken, in denen alle wichtigen Akteure rechtskreisübergreifend zusammenarbeiten. Wir als Auridis Stiftung freuen uns daher sehr, im Rahmen von „selbstbestimmt“ den bewährten Ansatz der kommunalen Gesamtkonzepte gemeinsam mit der hervorragenden Expertise der BLS, der wichtigen Unterstützung durch das GKV-Bündnis für Gesundheit und der Rückendeckung des Landes Brandenburg umsetzen zu können. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Lebenssituation für viele Kinder nachhaltig zu verbessern.“
Andrea Hardeling, Geschäftsführerin der Landesstelle für Suchtfragen: „Mit den beiden Projekten haben wir die Möglichkeit, die Kompetenz von Fachkräften im Land zu stärken und die Zusammenarbeit in den Kommunen zu verbessern. Es geht darum, dass die Fachkräfte in der Lage sind die besondere Situation der Familien frühzeitig zu erkennen und entsprechende Angebote in der Kommune umgesetzt werden, um alle Beteiligten zu unterstützen. Eine langfristige Entwicklung entsprechender Strukturen ist die Grundlage, um Kinder frühzeitig zu stärken und dadurch ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen.“
Hintergrund
Etwa jedes sechste Kind lebt in einem suchtbelasteten Haushalt. Deutschlandweit sind es Schätzungen zufolge zwischen drei bis sechs Millionen Minderjährige, die in einer sucht- oder psychisch belasteten Familie aufwachsen. Viele der eigentlich gesunden Kinder entwickeln durch die Belastungssituation in ihren Familien im Lauf ihres Lebens ebenfalls eine Sucht oder eine andere psychische Erkrankung. Für viele gehören Vernachlässigung, Überforderung, aber auch Scham und Hilflosigkeit zum Alltag.
Um dem entgegenzuwirken beschäftigt sich bereits seit Anfang 2021 das „selbstbestimmt“-Team der BLS mit dem Thema Suchtprävention für vulnerable Zielgruppen im Land Brandenburg – mit Unterstützung des GKV-Bündnisses für Gesundheit und dem Gesundheitsministerium. Aufgrund der großen Resonanz fiel gemeinsam mit den Förderern der Entschluss, das Projekt ab Mitte 2025 bis Ende 2028 mit dem Fokus auf Qualifizierung und Kommunikation für Kinder aus sucht- und psychisch belasteten Familien fortzuführen.
Den großen Handlungsbedarf im Themenfeld zeigt nicht zuletzt eine Bedarfserhebung des Projekts im Frühjahr 2025: Gut 55 Prozent der 249 befragten Fachkräfte hatten oft bis sehr oft in ihrem Alltag mit Kindern aus sucht- und psychisch belasteten Familien zu tun. Mehr als die Hälfte aller Teilnehmenden gab jedoch an, kein Hilfsangebot im Themenfeld zu kennen. Bei der Frage danach, was die Fachkräfte für eine bessere Versorgung Betroffener bräuchten, äußerten sie vorrangig den Wunsch nach Vernetzung, mehr zeitlichen und personellen Ressourcen sowie weiteren Hilfsangeboten.
Damit entsprechende Maßnahmen für eine bessere Versorgung nachhaltig und effektiv implementiert werden können, ergänzt für die zweite Projektlaufzeit der Baustein Kommunale Gesamtkonzepte für Kinder aus sucht- und psychisch belasteten Familien die selbstbestimmt-Aktivitäten. In dem von der Auridis Stiftung geförderten Teilprojekt sollen der Aufbau wirksamer Vernetzungsstrukturen und die Entwicklung zielgruppenspezifischer Angebote vor Ort in drei strukturell unterschiedlichen Modellkommunen begleitet und anschließend auf weitere Kommunen im Land Brandenburg übertragen werden.
Kontakt für mehr Informationen:
Brandenburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V.
Andrea Hardeling, Geschäftsführerin Telefon: 0331 581 380 – 20,
E-Mail: presse@blsev.de
Internetseite: https://www.selbstbestimmt-brandenburg.de/