Gesundheitsministerin Müller: „Wettbewerb zwischen den Krankenkassen muss fairer werden“
Bundesrat stimmt Entschließungsantrag zur „Modernisierung des Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs“ zu – Ministerin Müller fordert Beseitigung vorhandener Unterdeckung bei Versichertengruppen, die besonders oft krank werden
- Erschienen am - PresemitteilungDer sogenannte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) soll modernisiert werden. Der Bundesrat hat heute einem entsprechend Entschließungsantrag des Landes Baden-Württemberg zugestimmt. Darin enthalten ist ein Punkt, den das Land Brandenburg eingebracht hat, um die derzeit im Morbi-RSA vorhandene Unterdeckung bei vulnerablen Versichertengruppen zu beseitigen. So sollen Krankenkassen, die besonders viele ältere oder kränkere Versicherte haben, mehr Geld erhalten.
Der Morbi-RSA ist das Verteilungsinstrument für die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Krankenkassen und soll eigentlich einen fairen Wettbewerb ermöglichen, indem er die unterschiedlich zwischen den Krankenkassen verteilten Ausgaberisiken, wie zum Beispiel das Alter, Geschlecht und die Erkrankungen der Versicherten, in gewissen Maße ausgleicht. Damit soll auch vermieden werden, dass Krankenkassen bevorzugt junge und gesunde Versicherte werben. Denn ältere, kränkere Versicherte verursachen im Durchschnitt höhere Kosten. Diese sind aber oft nicht von den Finanzzuweisungen aus dem Morbi-RSA gedeckt. Krankenkassen mit besonders vielen älteren und kränkeren Versicherten erhalten deshalb nicht die Finanzmittel, die sie für die Betreuung dieser Versicherten eigentlich benötigen (sogenannte Unterdeckungen).
Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller erklärte nach der Abstimmung im Bundesrat: „Eine Modernisierung und Anpassung des Morbi-RSA ist dringend notwendig. Denn er erfüllt nicht mehr seine Funktion, faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Die bestehenden Unterdeckungen sind für die Krankenkassen, die besonders viele Pflegebedürftige und ältere, kränkere Menschen versichern, ein klarer Wettbewerbsnachteil. Sie zahlen drauf. Deshalb haben derzeit die großen Versorgerkassen mit einer älteren Versichertenklientel auch stärkere Beitragssatzsteigerungen zu verzeichnen. Verschiedene Studien zeigen, dass die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds die Ausgaben für sogenannte vulnerable Gruppen bei weitem nicht decken. Zu diesen vulnerablen Gruppen zählen Pflegebedürftige, Bürgergeld-Beziehende, Personen, die aus gesundheitlichen Gründen eine Erwerbsminderungsrente erhalten, sowie Zuzahlungsbefreite. Allen vier Bevölkerungsgruppen gemein ist eine hohe Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen bei gleichzeitig geringen Beiträgen. Hinzu kommt bei den Pflegebedürftigen und den Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentnern ein hohes Morbiditätsrisiko. Das bedeutet, dass diese Menschen statistisch gesehen im Lauf ihres Lebens an bestimmten Krankheiten häufiger erkranken. Diese Faktoren werden jedoch im Morbi-RSA derzeit nicht ausreichend berücksichtigt, da er sich ausschließlich auf Diagnosen stützt. Auch die durch das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz erfolgten Neuerungen, also der Übergang zu einem ‚Vollmodell‘ der berücksichtigten Krankheiten, die neu geschaffene Regionalkomponente oder der wieder eingeführte Risikopool, haben die bestehenden Unterdeckungen nicht kompensiert. Das müssen wir ändern. Der Morbi-RSA muss fairer werden, damit wir das System der gesetzlichen Krankenversicherung stabilisieren können.“
Hintergrund
Krankenkassen haben eine ungleiche Versichertenstruktur. Seit 1994 gibt es einen Ausgleich daraus resultierender Risikounterschiede zwischen den Krankenkassen, den sogenannten Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (RSA). Dieser wurde mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ab dem 1. Januar 2009 neu ausgestaltet und darüber hinaus durch die gleichzeitige Einführung des Gesundheitsfonds vereinfacht: Im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) wurde seitdem neben den Merkmalen Alter, Geschlecht, Bezug einer Erwerbsminderungsrente und Anspruch auf Krankengeld auch der unterschiedlich hohe Versorgungsbedarf von Versicherten mit einer kostenintensiven chronischen oder schwerwiegenden Krankheit berücksichtigt.
Mit dem am 1. April 2020 in Kraft getretenen Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FKG) wurde der Morbi-RSA insoweit weiterentwickelt, als dass eine Regionalkomponente eingeführt wurde und seitdem alle Krankheiten im RSA berücksichtigt werden (sogenanntes Vollmodell). Außerdem wurde ein Risikopool für Hochkostenfälle eingeführt, Abschlägen und Rabatten für Arzneimittel werden versichertenindividuell im RSA berücksichtigt und das Kriterium der Erwerbsminderung wurde als gesondertes Risikomerkmal für die Bemessung der Finanzzuweisungen gestrichen.