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Studie: Bedeutung der Sozialwirtschaft als ökonomischer Faktor in Brandenburg steigt

Fast 87.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Sozialwirtschaft

- Erschienen am 30.04.2025 - Presemitteilung 046/2025

Brandenburgs Sozialwirtschaft ist ein starker Wirtschaftsfaktor im Land, dessen Bedeutung in den nächsten Jahren wachsen wird und daher kontinuierlich gestärkt werden muss. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die gemeinsam vom Sozial- und Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben wurde. Demnach arbeiteten 2023 fast 87.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Sozialwirtschaft – das entspricht nahezu jeder zehnten erwerbstätigen Person in Brandenburg. Weitere 12.000 bis 18.000 Stellen hängen indirekt von der Branche ab, etwa durch die Abnahme von Gütern oder Dienstleistungen. Die Sozialwirtschaft umfasst ein breites Spektrum an Angeboten entlang des gesamten Lebenslaufs eines Menschen – von der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe über Leistungen für Menschen mit Behinderung bis hin zur Altenhilfe und Pflege. Zur nachhaltigen Stärkung der Branche formuliert die von der Beratungsfirma Kienbaum Consultants International GmbH erarbeitete Studie eine Reihe konkreter Handlungsempfehlungen. Dazu zählen unter anderem die gezielte Gewinnung internationaler Fachkräfte, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie die beschleunigte Digitalisierung sozialwirtschaftlicher Angebote.

Sozialministerin Britta Müller: „Egal ob Pflege, Unterstützung für Familien oder Seniorinnen und Senioren – die Unternehmen, Institutionen und Träger, die in Brandenburg im Sozialsektor tätig sind, bilden einen starken Eckpfeiler der Wirtschaft unseres Bundeslandes. 3,82 Milliarden Euro tragen sie zur Landeswirtschaft bei, das entspricht 4,75 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung in Brandenburg. Darüber hinaus sind sie unverzichtbar für etwas, das man nicht in Zahlen ausdrücken kann: die soziale Balance, für die Lebensqualität und das Wohl unserer Gesellschaft. Und künftig wird die Sozialwirtschaft aufgrund des demografischen Wandels noch wichtiger werden. Allein in der Pflege werden in den nächsten Jahren Zehntausende neue Fachkräfte benötigt. Die Handlungsempfehlungen der neuen Studie sind eine gute Grundlage, um den Sozialsektor für die Zukunft stärken zu können.“

Wirtschaftsminister Daniel Keller: „Die Sozialwirtschaft sieht sich mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert: Viele Beschäftigte gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Zugleich steigt aufgrund der demografischen Entwicklung die Zahl der Pflegebedürftigen. Damit Fachkräfte nicht zum limitierenden Faktor bei der Sicherung unserer sozialen und gesundheitlichen Infrastruktur werden, müssen wir alle Register ziehen, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle – angefangen von der klassischen Aus- und Weiterbildung über den Wieder- und Quereinstieg, gute Arbeitsbedingungen bis zur verstärkten Anwerbung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausland. Wir brauchen Zuzug und Zuwanderung, um vor allem auch in der Pflege und in unseren medizinischen Einrichtungen genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Dafür ist eine gute Willkommenskultur unerlässlich.“

Andreas Kaczynski, Vorsitzender der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege - Spitzenverbände im Land Brandenburg: „Ob Menschen in ihrem Leben vergleichbare Teilhabechancen erhalten und ob eine Gesellschaft als gerecht erlebt wird, entscheidet sich wesentlich daran, wie wir mit benachteiligten Menschen und mit den großen Lebensrisiken Armut, Krankheit, Alter umgehen oder wie wir die Würde des Einzelnen schützen. Die vorliegende Studie zeigt die ganze Vielfalt beruflicher wie ehrenamtlicher sozialer und pflegerischer Arbeit in Brandenburg. Sie zeichnet das Bild einer hoch differenzierten Versorgungslandschaft, in der unzählige Träger hoch engagiert, dicht am einzelnen Menschen und seinen Bedarfen agieren. Die Mannigfaltigkeit kann verwirren und stellt sicher eine Herausforderung dar. Sie kann und sollte aber vor allem als Ausdruck einer großen konzeptionellen Vielfalt und Ausweis einer weltanschaulich pluralen und lebendigen Zivilgesellschaft gelesen werden. Und mit seinen fast 90.000 Beschäftigten stellt der soziale Sektor eine ernst zu nehmende, wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Größe dar. Und ist in noch stärkerer Weise vom demografischen Wandel und einem rasant wachsenden Fachkräftemangel herausgefordert, was die Studie nicht verschweigt. Sie zeigt Wege und gibt Handlungsempfehlungen, denen wir in den nächsten Jahren nachgehen werden.“

Laut Studie ist die Bedeutung der Sozialwirtschaft für den Brandenburger Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Waren Mitte 2014 noch knapp 66.900 Menschen sozialversicherungspflichtig in der Branche beschäftigt, betrug ihre Zahl Mitte 2023 bereits rund 87.000 – ein Plus von etwas mehr als 20.000 Stellen bzw. 22 Prozent. Zum Vergleich: Die Gesamtwirtschaft in Brandenburg wuchs im gleichen Zeitraum um lediglich rund neun Prozent.

Etwa 48.500 bzw. rund 55,6 Prozent aller in der Branche tätigen Menschen in Brandenburg arbeiten in Teilzeit.

Der mit 40,2 Prozent weitaus größte Anteil der Beschäftigten der Branche ist in der ambulanten sozialen Betreuung älterer sowie von Menschen mit Behinderungen tätig, gefolgt von Beschäftigten in Pflegeheimen (16,7 Prozent) sowie Beschäftigten in Altenheimen und Behindertenwohnheimen (14,1 Prozent).

Der weit überwiegende Teil der in der Sozialwirtschaft Beschäftigten sind Frauen. Ihr Anteil liegt bei 72,7 Prozent (2023).

Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Sozialwirtschaft neben den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist das Engagement von Ehrenamtlichen. Laut Schätzungen entspricht der Umfang der von ihnen geleisteten Arbeit in Brandenburg einem Arbeitsvolumen von 34.000 bis 69.000 Vollzeitstellen.

Die Lohnentwicklung in dem Sektor hält mit der sonst positiven Entwicklung nicht ganz Schritt. Zwar stiegen die durchschnittlichen Bruttolöhne laut Studie zwischen 2013 und 2022 um rund 41,7 Prozent und damit stärker als in der Gesamtwirtschaft (plus rund 33,9 Prozent). Dennoch lag das durchschnittliche Jahresgehalt im Jahr 2022 mit 31.371 Euro fast elf Prozent unter dem Durchschnittsgehalt in der Gesamtwirtschaft (34.793 Euro).

Darüber hinaus weist das Gutachten einen „signifikanten Personalbedarf“ für die Sozialwirtschaft aus. So wurden beispielsweise im Juni 2024 insgesamt 1.636 offene Stellen in der Branche gemeldet. Dies entspricht rund 6,5 Prozent aller zu diesem Zeitpunkt offenen Stellen in Brandenburg und knapp 1,9 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Sektor.

Um die Branche für die Zukunft zu stärken, leiten die Gutachter aus ihrer Analyse vier konkrete Handlungsempfehlungen ab:

So sollte erstens die Sozialraumplanung in Brandenburg gestärkt werden. „Angesichts begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen zur Finanzierung und Umsetzung sozialwirtschaftlicher Angebote ist es unerlässlich, dass die verschiedenen Akteure der Sozialwirtschaft, die Angebote finanzieren, koordinieren und umsetzen (Landkreise, Städte, Gemeinden, Freie Wohlfahrtspflege, private Anbieter etc.) eng zusammenarbeiten. Nur so kann ein bedarfsgerechtes und flächendeckendes Angebot an sozialen Dienstleistungen gewährleistet werden“, heißt es in der Studie. „Denn langfristig wird diese koordinierte Planung dazu beitragen, Ressourcen effizienter zu nutzen, Versorgungslücken zu schließen und die Lebensqualität in den betroffenen Regionen zu verbessern.“

Zweitens müssten die Migration und Willkommenskultur als zentrale Bausteine der Fachkräftesicherung gestärkt werden, so die Gutachter. Sie empfehlen angesichts der zunehmenden Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt der Sozialwirtschaft die Einführung eines zentralen Prognosemodells zur Fachkräfteplanung, wie sie in anderen europäischen Ländern, beispielsweise den Niederlanden, bereits erfolgreich angewandt würden. Bei solchen Modellen würde die Fachkräftesituation regelmäßig analysiert und auf dieser Basis Strategien zur Fachkräftegewinnung entwickelt werden.

Die dritte Empfehlung betrifft die Erhöhung der Attraktivität und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Berufen der Sozialwirtschaft in Brandenburg. So sollten beispielsweise flexible Arbeitsmodelle eingeführt, verstärkt Fort- und Weiterbildungen angeboten sowie Organisationsstruktur und Führungskompetenz gestärkt werden.

Als letztes Handlungsfeld empfehlen die Gutachter, die Digitalisierung und den begleitenden Kulturwandel in der Sozialwirtschaft zu stärken. „Digitale Technologien können die Qualität sozialer Dienstleistungen verbessern, die Arbeit erleichtern und neue Wege für eine bessere Vernetzung und Kommunikation eröffnen“, schreiben die Gutachter. Empfohlen wird konkret der Aufbau einer Kompetenzstelle für digitale Transformation in der Sozialwirtschaft, die verstärkte Nutzung von Fördermitteln sowie die Übertragung bereits erfolgreich erprobter digitaler Modellprojekte auf andere Regionen Brandenburgs.

Die komplette Studie ist auf der Internetseite des Sozialministeriums zum Download eingestellt (Bereich „Themenberichte zur Sozialberichterstattung“):

https://mgs.brandenburg.de/mgs/de/themen/soziales/sozialberichterstattung/